GRUNDLAGEN PLASTISCHEN GESTALTENS
Proseminar am IfK der Justus-Liebig-Universität Gießen, SS 2012

Das Proseminar vermittelt Grundlagen des plastischen Gestaltens als Erleben und Wiedergeben von Raum und räumlicher Ausdehnung im Verhältnis zum menschlichen Körper.
Es werden drei Stufen unterschieden, die für plastisches Arbeiten relvant sind: Die körperliche Erfahrung von Raum, das freie Formen von Raum und die Konstruktion. Raum zu erleben, Raum zu formen und Raum zu denken bilden die drei Grundlagen der Fähigkeit zum Plastischen Gestalten.

Das Konstruieren und Denken von Raum steht im direkten Verhältnis zum individuellen und körperlichen Erleben. Wir verstehen, indem wir etwas das wir sehen, unmerklich mit dem vorher Gewussten oder Erlernten abgleichen. Ein rechter Winkel ist nicht wahrnehmbar ohne das gedankliche Konstrukt, mit dem wir das Wahrgenommene korrigieren. Formbar wird der Raum nur im dialektischen Ineinandergreifen von Wissen, Gewissheit und spontanem Erleben.
Das Seminar gliedert sich in vier Stufen, die das Erleben mit dem Denken und Formen von Raum verbindet.

1. Im ersten Teil des Seminars werden die Grundrisse der privaten Räume aller SeminarteilnehmerInnen gezeichnet. Die farbigen Valeurs und Markierungen in den Grundrissen unterscheiden individuell die Bereiche in den Wohnungen, die stark, mittel oder wenig benutzt sind. Eine kartografische Zeichnung repräsentiert das individuelle Erleben eines konkreten Raumes.

2. Im zweiten Teil bietet das vorhandene Mobiliar im Seminarraum Konstruktionselemente zum Bauen von kleineren Räumen. Die TeilnehmerInnen arbeiten in Gruppen und erleben sich in Kooperation und Interaktion. Was ist interessant, was wird entschieden und was verworfen? Aus dem Gedächtnis werden die Gemeinschaftsarbeiten durch Zeichnungen später rekonstruiert.

3. Die Arbeiten im dritten Teil gehen ein auf das, was wir über Raum wissen und gelernt haben, auf die Konstruktion und die platonischen Körper. Alle Dinge lassen sich virtuell auf ihre Grundformen zurückführen. Quader, Zylinder, Kugel, Kegel, Pyramide ect. und ihre Schnittformen, repräsentieren den euklidischen Raum der Konstruktion. Das Material Papier ist zwar neutral, widersetzt sich aber dem Konstruktionsgedanken durch seine Eigenschaften, die selbst Formung bedeuten.

4. Im vierten Teil wird Material in einer Mischung aus Drahtgeflecht, Holz, Pappmache und Gips frei experimentell angewandt und geformt. Der sperrige Eigensinn des Materials konkurriert mit der Formidee und der Konstruktion von Raum. Sich dem Eigensinn des Materials zu überlassen ist die eine Seite und eine Formidee durchzusetzten die andere. Zwischen diese beiden Polen pendelt der Prozess, der in seinen Ergebnissen ablesbar ist. Die Lebendigkeit der Oberflächen schafft eine mit Sinnesempfindung aufgeladene emotionale Qualität.
Studentische Arbeit (1.Teil)
Kartierung der Raumnutzung in der Privatwohnung
Kreide, Buntstift, Bleistift auf Papier
40 x 30 cm, WS 2011